Darlehen an nahestehende Personen 

Artikel vom 29.8.2023 von Regula Heinzelmann 

Urteil 2C_872/2020 vom 2. März 2021 

In diesem Fall geht es um eine GmbH, die von Eheleuten gemeinsam geführt wurde und um ein Darlehen, dass diese von ihrem Geschäft bezogen hatten. Es geht dabei um die Frage, ob die Eheleute den Willen hatten, das Darlehen an die GmbH zurückzuzahlen oder nicht.

Die Vorinstanz hielt dem Steueramt vor, dass es nicht festgestellt habe, ob bereits vor dem Steuerjahr 2018 mit der Rückzahlung nicht mehr ernstlich habe gerechnet werden können. Falls die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdegegner bereits im Jahr 2017 oder in früheren Jahren so schlecht gewesen seien, dass mit einer Rückzahlung der Kontokorrentschulden nicht mehr habe gerechnet werden können, hätte bereits damals eine geldwerte Leistung besteuert werden müssen.

Das Steueramt macht geltend, dass vor der Steuererklärung 2018 der allenfalls fehlende Rückzahlungswillen der Beschwerdegegner nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen sei. Erst in dieser Steuererklärung hätten die Beschwerdegegner die infolge des Konkurses der GmbH untergegangenen Kontokorrentschulden nicht mehr als Schulden ausgewiesen. Es sei überdies treuwidrig, wenn sich die Beschwerdegegner nunmehr auf den fehlenden Rückzahlungswillen beriefen, nachdem bis und mit dem Jahr 2017 die GmbH die Forderungen voll bilanziert habe und die Beschwerdegegner die Schulden in den Steuererklärungen jeweils voll ausgewiesen und zum Abzug gebracht hätten.

Das Bundesgericht stellte feist, dass Vorteile aus Beteiligungen beim Inhaber des Beteiligungsrechts der Einkommenssteuer unterliegen. Geldwerte Vorteile aus Beteiligungen charakterisieren sich dadurch, dass die leistende Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft für ihre Leistung keine oder keine gleichwertige Gegenleistung erhält, der Beteiligungsinhaber der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft direkt oder indirekt einen Vorteil erlangt, die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft diesen Vorteil einem Dritten unter gleichen Bedingungen nicht zugestanden hätte (Drittvergleich) und der Charakter dieser Leistung für die Organe der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft erkennbar war (BGE 144 II 427 E. 6.1; 140 II 88 E. 4.1; 138 II 57 E. 2.2).

Gewährt eine Kapitalgesellschaft ihrem alleinigen Gesellschafter ein Darlehen, liegt darin insoweit eine geldwerte Leistung an den Gesellschafter, als von den Drittbedingungen bzw. einem üblichen und marktgerechten Geschäftsgebaren abgewichen wird (BGE 138 II 57 E. 3.1). Die geldwerte Leistung in diesen Konstellationen besteht im Verzicht des Darlehensgebers auf eine angemessene, dem Risiko entsprechende Gegenleistung des Darlehensnehmers, mithin also regelmässig in der Differenz zwischen dem effektiv bezahlten und dem Zins, den ein Dritter verlangt hätte (vgl. BGE 140 II 88 E. 5; 138 II 57 E. 6.2). 

In Bezug auf die Kapitalschuld, liegt keine unentgeltliche Zuwendung vor, soweit der Gesellschafter wie jeder aussenstehende Darlehensnehmer das von seiner Gesellschaft ausgerichtete Darlehen zurückerstatten muss. Anders verhält es sich dann, wenn mit der Rückzahlung des Darlehens nicht zu rechnen ist, weil ein solches nach dem Willen der Parteien nicht gewollt oder die Rückerstattung der erbrachten Leistung nicht beabsichtigt ist (BGE 138 II 57 E. 5; Urteil 2C_347/2019 vom 16. September 2019 E. 4.1.4). In diesem Fall liegt im hingegebenen Kapital, dessen Rückzahlung die Parteien nicht beabsichtigen, eine geldwerte Leistung vor (vgl. zu den Begrifflichkeiten Urteil 2C_322/2017 vom 3. Juli 2018 E. 4.2.3).

Der Rückzahlungswillen kann von Beginn weg fehlen oder erst nachträglich entfallen, wenn sich Gesellschafter und Gesellschaft ausdrücklich oder konkludent über einen Schulderlass bzw. Forderungsverzicht einigen. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang von „ursprünglicher“ und „nachträglicher Simulation“ (vgl. BGE 138 II 57 E. 5.2 mit Hinweisen; Urteile 2C_252/2014 vom 12. Februar 2016 E. 4.1; 2C_843/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 3.3, in: StR 68/2013 S. 227). 

Da der Rückzahlungswillen von Gesellschaft und Gesellschafter als innere Tatsache einem direkten Beweis nicht zugänglich ist, kann oft nicht leicht festgestellt werden, ob ein Darlehen steuerlich nur (noch) simuliert wird (BGE 138 II 57 E. 7.1; Urteil 2C_843/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 3.3, in: StR 68/2013 S. 227). Praxisgemäss ist eine Simulation erst anzunehmen, wenn dafür klare Indizien sprechen (BGE 138 II 57 E. 5.2.2). 

Gewährt eine Gesellschaft ihrem Anteilsinhaber ein Darlehen, obschon sich dieser in äusserst angespannten finanziellen Verhältnissen befindet und nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft seinen aus dem Darlehen resultierenden Verpflichtungen (Zins- und Amortisationszahlungen) auf Dauer nachzukommen, ist dies ein deutliches Indiz für eine ursprüngliche Simulation (BGE 138 II 57 E. 5.1.3). Von einer ursprünglichen Simulation ist ferner regelmässig auszugehen, wenn der Empfänger die zugeflossenen Mittel zu einem grossen Teil für die Bestreitung seines privaten Lebensaufwandes verwendet oder er damit seine privaten Schulden umschuldet (BGE 138 II 57 E. 5.1.2). Starke Indizien sind auch die buchmässige Behandlung des Darlehens bei der Gesellschaft und die Art und Weise, wie der Anteilsinhaber das Darlehen in seiner Steuererklärung deklarierte (vgl. BGE 138 II 57 E. 5.1.1).

Schwächere Anhaltspunkte für eine ursprüngliche Simulation liegen vor, wenn die Parteien keinen schriftlichen Darlehensvertrag geschlossen haben, wenn die Darlehenshingabe vom Gesellschaftszweck nicht erfasst ist, wenn das Darlehen im Vergleich zu den übrigen Gesellschaftsaktiven eine ausserordentliche Höhe erreicht oder das Eigenkapital übersteigt (Klumpenrisiko) oder wenn die Gesellschaft die verliehenen Mittel selbst erst andernorts beschaffen musste (vgl. zum Ganzen BGE 138 II 57 E. 5.1; zum Klumpenrisiko Urteil 2C_295/2020 vom 6. August 2020 E. 4.2.1). 

Bestehen im Zeitpunkt der Darlehenshingabe keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Simulation, ist es ein Indiz für einen nachträglich entfallenen Rückzahlungswillen, wenn das Darlehen trotz sehr schwieriger Finanzverhältnisse des Schuldners noch, allenfalls mehrmals, beträchtlich erhöht wird (BGE 138 II 57 E. 5.2.2). Genügend Indizien für eine nachträgliche Simulation bestehen allerdings oft erst dann, wenn der Anteilsinhaber den Willen äussert, die Mittel seiner Gesellschaft definitiv zu entziehen, und diese Absicht für die Behörden dadurch erkennbar wird, dass die Gesellschaft ihre Forderung abschreibt (BGE 138 II 57 E. 5.2.3). 

Eine erst nachträglich verschlechterte finanzielle Lage des Darlehensnehmers kann zwar ein Indiz dafür bilden, dass die Parteien die Rückzahlung des Darlehens nicht länger beabsichtigen. Insbesondere wenn die Verschlechterung der finanziellen Lage des Darlehensnehmers nicht mit Erhöhungen des Darlehens einhergeht (vgl. oben E. 3.4.2), ist die Aussagekraft dieses Indiz jedoch erheblich geringer als im Moment der Darlehensgewährung, wie ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt: 

  • Im Leiturteil BGE 138 II 57 hielt das Bundesgericht fest, dass im konkreten Fall aus den beträchtlichen, aber eben erst nachträglich eingetretenen finanziellen Schwierigkeiten des Darlehensnehmers nicht auf einen mangelnden Rückzahlungswillenlen geschlossen werden konnte (BGE 138 II 57 E. 7.4.3). 
  • Im Urteil 2C_843/2012 vom 20. Dezember 2012 liess das Bundesgericht den Schluss aus einer anhaltend verschlechterten finanziellen Lage und anderen Indizien, u.a. Erhöhung des Darlehens, auf einen nachträglich entfallenen Rückzahlungswillen zwar zu. Das Bundesgericht hielt es aber für zutreffend, diesen Schluss erst in der Steuerperiode zu ziehen, in welcher die Darlehensgeberin mittels Wertberichtigung gegen aussen sichtbar gemacht hatte, dass das Darlehen zum grössten Teil nicht mehr werthaltig war (Urteil 2C_843/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 3.3 und 3.4, in: StR 68/2013 S. 227; vgl. ähnlich auch Urteil 2C_252/2014 / 2C_257/2014 vom 12. Februar 2016 E. 4.3). 

Eine Kapitalschuld des Anteilsinhabers mutiert nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erst dann nachträglich zu einem simulierten Darlehen. Es ist nur dann von einer definitiven Kapitalentnahme durch den Anteilsinhaber auszugehen, wenn der Rückzahlungswillen entfällt (vgl. BGE 138 II 57 E. 5 und 7.4.3). Für diese innere Tatsache kann eine desolate finanzielle Lage des Anteilsinhabers zwar ein Indiz bilden (vgl. oben E. 3.6). Wenn aber aus anderen Gründen feststeht, dass der Rückzahlungswillen der Parteien trotz finanzieller Schwierigkeiten fortbestand, verbietet sich die Annahme einer nachträglichen Simulation. 

Merke

Im Steuerverfahren nicht nur die Steuerbehörden, sondern auch die Steuerpflichtigen gehalten, sich nach Treu und Glauben zu verhalten.

Soweit ihr Verhalten missbräuchlich ist, verdienen sie deshalb keinen Rechtsschutz (Rechtsmissbrauchsverbot; Art. 2 Abs. 2 ZGB analog).

Ein Verhalten gilt namentlich dann als missbräuchlich, wenn es widersprüchlich ist.