Nacht- und Sonntagsarbeit in der Schweiz: Was Sie wissen müssen
Das Grundprinzip: Nacht- und Sonntagsarbeit ist verboten
Aus der Praxis
Ein IT-Unternehmen möchte am Wochenende einen neuen Server installieren, um den Tagesbetrieb nicht zu stören. Darf das Unternehmen seine Mitarbeitenden einfach am Sonntag aufbieten?
In der Schweiz gilt ein grundsätzliches Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit. Als Nachtarbeit zählt die Zeit zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Die Grenzen können um eine Stunde verschoben werden, beispielsweise auf den Zeitraum von 24 Uhr bis 5 Uhr. Als Sonntagsarbeit gilt die Zeit zwischen Samstag 23 Uhr und Sonntag 23 Uhr. Auch dieser Zeitraum kann mit Zustimmung der Arbeitnehmenden um höchstens eine Stunde verschoben werden.
Arbeitgebende dürfen ihre Angestellten ohne deren ausdrückliches Einverständnis weder zur Nachtarbeit noch zur Sonntagsarbeit heranziehen. Das IT-Unternehmen aus dem Beispiel benötigt also nicht nur die Zustimmung der betroffenen Mitarbeitenden, sondern auch eine behördliche Bewilligung für die Sonntagsarbeit.
Vorübergehende oder dauernde Nacht- und Sonntagsarbeit
Aus der Praxis
Eine Pflegefachfrau arbeitet im Spital regelmässig im Nachtdienst. Ein Bauarbeiter hingegen muss nur während einer zweiwöchigen Baustelle in einem Tunnel nachts arbeiten. Gelten für beide dieselben Regeln?
Das Gesetz unterscheidet klar zwischen vorübergehender und dauernder Nacht- oder Sonntagsarbeit. Vorübergehend ist die Arbeit, wenn sie sich auf zeitlich befristete Einsätze von nicht mehr als sechs Monaten beschränkt. Als Grenzwert gilt zudem: Wer in weniger als 25 Nächten pro Kalenderjahr nachts arbeitet, leistet vorübergehende Nachtarbeit. Wer an höchstens 6 Sonntagen pro Jahr arbeitet, leistet vorübergehende Sonntagsarbeit.
Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- und Sonntagsarbeit liegt vor, wenn diese Grenzen überschritten werden. Auch Einsätze, die sich während mehrerer Kalenderjahre aus dem gleichen Grund wiederholen, gelten als dauernd. Die Unterscheidung ist wichtig, denn sie bestimmt sowohl die zuständige Bewilligungsbehörde als auch die Art der Entschädigung.
Lohn- und Zeitzuschläge bei Nachtarbeit
Aus der Praxis
Ein Lagerist arbeitet während der Inventur an drei Nächten im Jahr. Seine Kollegin im selben Betrieb ist fest im Dreischichtbetrieb eingeteilt und arbeitet jede dritte Woche nachts. Erhalten beide denselben Zuschlag?
Nein, die Zuschläge unterscheiden sich grundlegend. Bei vorübergehender Nachtarbeit, also weniger als 25 Nächten pro Kalenderjahr, erhalten Arbeitnehmende einen Lohnzuschlag von mindestens 25%. Dieser Zuschlag wird für die Zeit bezahlt, die zwischen 23 Uhr und 6 Uhr geleistet wird. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung des Arbeitsgesetzes. Der Lohnzuschlag kann vertraglich nicht wegbedungen werden.
Bei dauernder oder regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit, also 25 oder mehr Nächten pro Kalenderjahr, gilt eine andere Regelung. Hier besteht Anspruch auf einen Zeitzuschlag von 10%. Das bedeutet: Wer 100 Stunden Nachtarbeit leistet, erhält 10 Stunden zusätzliche Freizeit. Diese Ausgleichsruhezeit muss innerhalb eines Jahres gewährt werden. Der Zeitzuschlag ist ab der ersten Nacht geschuldet, sobald feststeht, dass die Grenze von 25 Nächten überschritten wird.
Der Gesetzgeber geht bei regelmässiger Nachtarbeit davon aus, dass die Belastung bereits im Arbeitsvertrag und im Lohn berücksichtigt wurde. Statt eines höheren Lohnes sollen die Arbeitnehmenden mehr Erholungszeit erhalten, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Nachtarbeit auszugleichen.
Lohnzuschlag und Ausgleich bei Sonntagsarbeit
Aus der Praxis
Ein kleines Beratungsunternehmen präsentiert sich viermal im Jahr an einer Gewerbemesse, die auch sonntags stattfindet. Die Mitarbeitenden arbeiten dabei jeweils den ganzen Sonntag am Messestand. Wie ist der Sonntag zu entschädigen?
Bei vorübergehender Sonntagsarbeit ist ein Lohnzuschlag von 50% geschuldet. Vorübergehend bedeutet: höchstens 6 Sonntage pro Kalenderjahr, einschliesslich gesetzlicher Feiertage. Da das Beratungsunternehmen seine Mitarbeitenden nur an 4 Sonntagen einsetzt, handelt es sich um vorübergehende Sonntagsarbeit mit Anspruch auf den 50%-Zuschlag.
Bei dauernder oder regelmässig wiederkehrender Sonntagsarbeit, also mehr als 6 Sonntagen pro Jahr, besteht kein Anspruch auf einen Lohnzuschlag. Der Gesetzgeber geht hier davon aus, dass die Sonntagsarbeit im Arbeitsvertrag berücksichtigt wurde. Es besteht jedoch in jedem Fall ein Anspruch auf zeitlichen Ausgleich.
Zusätzlich zum Lohnzuschlag muss Sonntagsarbeit immer durch Freizeit ausgeglichen werden. Bei einer Dauer von bis zu 5 Stunden genügt ein Freizeitausgleich. Dauert die Sonntagsarbeit länger als 5 Stunden, muss in der Woche davor oder danach ein Ersatzruhetag von mindestens 24 Stunden gewährt werden. Dieser muss im Anschluss an die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden liegen.
Bewilligungsfreie Branchen: Wer darf ohne Gesuch nachts und sonntags arbeiten?
Bestimmte Branchen sind auf Nacht- und Sonntagsarbeit angewiesen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Für diese Betriebe hat der Gesetzgeber in der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV 2) Sonderbestimmungen geschaffen. Diese Betriebe dürfen ihre Mitarbeitenden ohne vorgängige Bewilligung in der Nacht und am Sonntag beschäftigen. Die Befreiung von der Bewilligungspflicht bedeutet jedoch nicht, dass die übrigen gesetzlichen Schutzvorschriften nicht gelten. Der Zeitzuschlag bei dauernder Nachtarbeit sowie die Regeln zu den Ruhezeiten bleiben anwendbar.
🏥 Gesundheitsbranche: Spitäler, Kliniken und Heime
Aus der Praxis
Eine Notfallstation muss rund um die Uhr besetzt sein. Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation benötigen auch nachts und am Wochenende Betreuung. Wie ist die Arbeit im Gesundheitswesen geregelt?
Krankenanstalten, Kliniken und Heime gehören zu den bewilligungsfreien Betrieben. Sie dürfen ihr Personal ohne behördliche Bewilligung in der Nacht und am Sonntag beschäftigen. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten keine Unterbrechung kennt.
Für das Gesundheitswesen gelten besondere Arbeitszeitregelungen. Bei Nachtarbeit darf die tägliche Arbeitszeit ausnahmsweise auf 10 oder sogar 12 Stunden verlängert werden. Voraussetzung ist, dass ein grosser Teil davon Präsenzzeit darstellt und eine Gelegenheit besteht, sich hinzulegen. In diesem Fall muss eine verlängerte Ruhezeit von 12 Stunden gewährt werden. Diese Regelung ermöglicht die in Spitälern üblichen langen Nachtdienste.
Die Anzahl freier Sonntage kann im Gesundheitswesen auf mindestens 12 pro Kalenderjahr reduziert werden. In Wochen ohne freien Sonntag ist jedoch eine wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden zu gewähren. Zusammen mit der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden ergibt dies eine zusammenhängende Ruhezeit von 47 Stunden.
🥐 Bäckereien, Konditoreien und Confiserien
Aus der Praxis
Damit Kundinnen und Kunden am frühen Morgen frisches Brot kaufen können, müssen Bäckerinnen und Bäcker mitten in der Nacht mit der Arbeit beginnen. Braucht eine Bäckerei dafür eine Bewilligung?
Seit dem 1. April 2022 gelten für Bäckereien, Konditoreien und Confiserien vereinfachte Regelungen. Das Produktionspersonal darf an zwei Tagen pro Woche die ganze Nacht arbeiten. An den übrigen Tagen ist die Nachtarbeit ab 1 Uhr erlaubt. Auch die Sonntagsarbeit ist für die Produktion bewilligungsfrei möglich. Diese Änderung der ArGV 2 hat die Rechtslage an die langjährige Praxis angepasst.
Die Regelung gilt für Betriebe, die Bäckerei-, Konditorei- oder Confiseriewaren herstellen. Auch die dazugehörigen Verkaufsgeschäfte profitieren von der Ausnahme, sofern sie überwiegend selbst hergestellte Produkte verkaufen. Für das Verkaufspersonal in Bäckereien gelten leicht andere Regeln als für das Produktionspersonal.
Bei Nachtarbeit darf die tägliche Arbeitszeit in Bäckereien bis zu 11 Stunden innerhalb eines Zeitraums von 13 Stunden betragen. Im Kalenderjahr sind mindestens 12 freie Sonntage zu gewähren. Die Befreiung von der Bewilligungspflicht entbindet nicht von den übrigen Schutzvorschriften. Der Zeitzuschlag von 10% bei regelmässiger Nachtarbeit sowie der Lohnzuschlag von 50% bei vorübergehender Sonntagsarbeit bleiben geschuldet.
🍽️ Gastronomie und Gastgewerbe
Aus der Praxis
Ein Restaurant hat bis 24 Uhr geöffnet. Das Servicepersonal arbeitet regelmässig bis in die Nacht hinein und auch an Sonntagen. Muss das Restaurant für jeden Einsatz eine Bewilligung einholen?
Gastbetriebe sind von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit befreit. Dies gilt für Hotels, Restaurants, Bars und andere Betriebe des Gastgewerbes, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Regelung erfasst das gastgewerbliche Personal, das direkt für die Gästebetreuung eingesetzt wird.
Das Gastgewerbe unterliegt besonderen Bestimmungen zur Arbeitszeitorganisation. Die Arbeitswoche kann unter bestimmten Voraussetzungen auf 7 Tage verlängert werden. In diesem Fall müssen jedoch strenge Schutzmassnahmen eingehalten werden. Der wöchentliche freie Halbtag muss ab spätestens 14.30 Uhr gewährt werden. Diese Regelung wurde 2022 angepasst, um den spezifischen Bedürfnissen der Branche besser Rechnung zu tragen.
Nicht unter die Ausnahme fallen Betriebe, die zwar gastgewerbliche Leistungen erbringen, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Personalrestaurants und Kantinen müssen für Nacht- und Sonntagsarbeit eine Bewilligung einholen. Dasselbe gilt für Betriebe, deren Haupttätigkeit nicht im Gastgewerbe liegt, wie etwa Cafés in Warenhäusern oder Kioske mit Getränkeausschank.
🔒 Sicherheitsdienste und Bewachung
Aus der Praxis
Ein Sicherheitsunternehmen bewacht Industrieanlagen und Einkaufszentren. Die Kontrollgänge finden auch nachts und am Wochenende statt. Benötigt das Unternehmen für jeden Einsatz eine Bewilligung?
Bewachungs- und Überwachungspersonal gehört zu den Berufsgruppen mit Sonderbestimmungen in der ArGV 2. Betriebe, die gewerbsmässig Personen oder fremdes Eigentum bewachen, dürfen ihre Mitarbeitenden ohne Bewilligung in der Nacht und am Sonntag beschäftigen. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Sicherheitsaufgaben oft gerade dann anfallen, wenn reguläre Betriebe geschlossen sind.
Die Befreiung von der Bewilligungspflicht gilt für typische Sicherheitsdienstleistungen wie Objektbewachung, Personenschutz, Revierbewachung und Alarminterventionen. Auch der Ordnungsdienst bei Veranstaltungen fällt darunter. Die übrigen Schutzvorschriften des Arbeitsgesetzes bleiben anwendbar. Das Sicherheitspersonal hat bei regelmässiger Nachtarbeit Anspruch auf den Zeitzuschlag von 10% sowie auf medizinische Untersuchungen alle zwei Jahre.
Sicherheitsunternehmen benötigen in den meisten Kantonen eine Betriebsbewilligung. Diese ist von der arbeitsrechtlichen Bewilligung für Nacht- und Sonntagsarbeit zu unterscheiden. Die Betriebsbewilligung regelt die Anforderungen an das Unternehmen und sein Personal, etwa bezüglich Ausbildung, Strafregisterauszug und Haftpflichtversicherung.
Gesundheitsschutz bei Nachtarbeit
Aus der Praxis
Eine Mitarbeiterin arbeitet seit mehreren Jahren im Schichtbetrieb und klagt über Schlafstörungen und Erschöpfung. Welche Rechte hat sie?
Arbeitnehmende, die dauerhaft oder regelmässig nachts arbeiten, haben Anspruch auf besondere Schutzmassnahmen. Sie können alle zwei Jahre eine medizinische Untersuchung und Beratung verlangen. Nach Vollendung des 45. Lebensjahres steht ihnen dieses Recht jährlich zu. Die Kosten trägt der Arbeitgeber, sofern keine Krankenversicherung dafür aufkommt.
Wird eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen zur Nachtarbeit untauglich erklärt, muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit eine ähnliche Tagesarbeit anbieten. In Branchen wie dem Gesundheitswesen, wo sowohl Tag- als auch Nachtschichten üblich sind, ist eine Versetzung zur Tagesarbeit praktisch immer möglich.
Der Arbeitgeber muss bei regelmässiger Nachtarbeit weitere Schutzmassnahmen ergreifen. Dazu gehören die Sicherheit des Arbeitsweges, die Organisation von Transportmöglichkeiten, Ruhegelegenheiten, Verpflegungsmöglichkeiten sowie bei Bedarf Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Die Bewilligungsbehörden können die Arbeitszeitbewilligungen mit entsprechenden Auflagen verbinden.
Fazit: Die wichtigsten Punkte im Überblick
Nacht- und Sonntagsarbeit ist in der Schweiz grundsätzlich verboten und erfordert eine Bewilligung. Bestimmte Branchen wie das Gesundheitswesen, Bäckereien, die Gastronomie und Sicherheitsdienste sind von dieser Bewilligungspflicht befreit. Die Arbeitnehmenden behalten jedoch in jedem Fall ihren Anspruch auf die gesetzlichen Zuschläge und Schutzmassnahmen.
Bei vorübergehender Nachtarbeit beträgt der Lohnzuschlag mindestens 25%. Bei dauernder Nachtarbeit besteht stattdessen Anspruch auf 10% Zeitzuschlag in Form von bezahlter Freizeit. Bei vorübergehender Sonntagsarbeit ist ein Lohnzuschlag von 50% geschuldet. Zusätzlich muss Sonntagsarbeit immer durch Freizeit ausgeglichen werden.
Diese Regelungen schützen die Gesundheit der Arbeitnehmenden und stellen sicher, dass die Belastung durch Arbeit zu schwierigen Zeiten angemessen entschädigt wird. Arbeitgebende sollten die Bestimmungen sorgfältig einhalten, denn Verstösse gegen das Arbeitsgesetz können mit Bussen geahndet werden.




