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Mit der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes ist per 1. Januar 2025 die sogenannte Plattformbesteuerung in Kraft getreten.

Sie ist das Herzstück der Reform und betrifft alle Unternehmen, die Online-Plattformen für den Handel mit Waren nutzen oder betreiben.

Die neuen Regeln bringen grundlegende Änderungen für die Zuordnung, Deklaration und Abrechnung der Mehrwertsteuer mit sich – und werfen für viele KMU und Plattformbetreiber neue Fragen auf.

Funktionsweise der Plattformbesteuerung

Die Plattformbesteuerung basiert auf einer rechtlichen Fiktion: Für die MWST gilt, dass beim Verkauf über eine elektronische Plattform zwei Lieferungen stattfinden:

  • Lieferung 1: Verkäufer an Plattform (grundsätzlich steuerbefreit, aber mit Option zur Versteuerung).
  • Lieferung 2: Plattform an Endkunde (steuerpflichtig, sofern keine Ausnahme greift).

Diese Fiktion gilt ausschliesslich für die Mehrwertsteuer und hat keine zivilrechtliche Wirkung, etwa bei Gewährleistungsfragen.

Voraussetzungen für die Anwendung

  • Es handelt sich um eine elektronische Plattform, die online den direkten Vertragsabschluss zwischen mehreren Parteien ermöglicht.
  • Das vermittelte Grundgeschäft ist eine Lieferung im Sinne des MWSTG, also die Übertragung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand.
  • Der Vertragsabschluss erfolgt auf der Plattform selbst. Werden wesentliche Vertragselemente ausserhalb der Plattform ausgehandelt, greift die Plattformbesteuerung nicht.

Nicht erfasst sind Dienstleistungen, Werkverträge, reine Anzeigenportale, Werbeleistungen oder reine Zahlungsabwickler. Auch wenn die Plattform im eigenen Namen verkauft, bleibt sie ausserhalb der Plattformbesteuerung und wird wie ein gewöhnlicher Händler behandelt.

Mehrwertsteuerliche Folgen

Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

  1. Die Plattform muss die MWST auf dem Endverkaufspreis an den Kunden abführen und haftet für die korrekte Abrechnung.
  2. Verkäufer deklarieren nur noch den Nettoumsatz (Verkaufspreis abzüglich Plattformgebühr) als Umsatz.
  3. Für Saldosteuersatz-Abrechner ist die Plattformkommission nicht mehr steuerpflichtig, da sie nicht mehr als Dienstleistung gilt.
  4. Fixe Gebühren, die unabhängig vom Umsatz anfallen (z.B. Jahresgebühren), bleiben weiterhin steuerpflichtig.
  5. Umsatzabhängige Gebühren für Marketingtools oder Zahlungsabwicklung sind neu nicht mehr steuerbar.

Leistungsort und Versandhandelsregelung

Bei Lieferungen aus dem Ausland greift die Versandhandelsregelung:
Erreicht ein Verkäufer mit Kleinsendungen (unter fünf Franken Einfuhrsteuer) einen Jahresumsatz von mindestens 100’000 Franken, gilt der Leistungsort als im Inland gelegen.
Die Plattform muss sich dann in der Schweiz mehrwertsteuerlich registrieren und die Steuer abführen.

Ausnahmen und Spezialfälle

  • Keine Plattformbesteuerung bei Vermittlung von Werkverträgen oder Dienstleistungen (z.B. Ferienwohnungen, Handwerkerleistungen).
  • Keine Anwendung bei reinen Werbeplattformen, Anzeigenportalen oder Zahlungsdienstleistern.
  • Bei nachträglicher Vertragsänderung ausserhalb der Plattform entfällt die Plattformbesteuerung rückwirkend.

Stolpersteine in der Praxis

Die neuen Regeln bringen für KMU und Plattformbetreiber einige Herausforderungen:

  • Die korrekte Abgrenzung, wann eine Plattform als Lieferant gilt, ist nicht immer einfach. Der Aussenauftritt ist nicht mehr entscheidend, sondern allein die gesetzliche Fiktion.
  • Rechnungsstellung und Buchhaltung müssen an die neue Lieferkette angepasst werden, um Doppelbesteuerungen oder Nachforderungen zu vermeiden.
  • Die Plattform muss die Steuerpflicht für alle Verkäufe überwachen und haftet subsidiär für Fehler der Verkäufer.
  • Die neuen Meldepflichten und die Umstellung auf digitale Prozesse erhöhen den administrativen Aufwand, insbesondere bei internationalen Lieferketten und mehreren Steuersätzen.