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Plattformbesteuerung bei der MWST in der Schweiz

Plattformbesteuerung bei der MWST: Was Sie als Plattformbetreiber wissen müssen

Seit dem 1. Januar 2025 gelten in der Schweiz neue Regelungen für den Verkauf von Gegenständen über elektronische Plattformen. Die Plattformbesteuerung verschiebt die Steuerpflicht in bestimmten Fällen vom Verkäufer auf die Plattformbetreiberin. Diese Änderung betrifft viele Online-Marktplätze und wirft zahlreiche praktische Fragen auf.

Praxisfall: Die Plattform «SwissMarket»

Ausgangslage: Thomas betreibt seit drei Jahren die Online-Plattform «SwissMarket», auf der Privatpersonen und kleine Gewerbetreibende gebrauchte und neue Waren verkaufen können. Die Plattform ermöglicht es Verkäufern, ihre Produkte anzubieten, und Käufern, diese direkt über die Plattform zu bestellen. SwissMarket wickelt auch die Zahlungen ab und behält eine Provision von 15 Prozent des Verkaufspreises ein.

Problem: Mit der neuen Gesetzgebung ab 2025 ist Thomas unsicher: Muss er nun für alle Verkäufe auf seiner Plattform die Mehrwertsteuer abrechnen? Welche Pflichten kommen auf ihn zu? Und was bedeutet das für seine Verkäufer?

Schritt 1: Wann gilt die Plattformbesteuerung?

Die erste Frage, die sich Thomas stellen muss, lautet: Unterliegt seine Plattform überhaupt der Plattformbesteuerung nach Artikel 20a MWSTG?

Die drei Grundvoraussetzungen

Die Plattformbesteuerung kommt zur Anwendung, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Verkauf von Gegenständen: Es müssen körperliche Gegenstände verkauft werden. Dienstleistungen fallen nicht unter die Plattformbesteuerung.
  2. Zusammenbringen auf der Plattform: Die Plattformbetreiberin bringt Verkäufer und Käufer zum Vertragsabschluss zusammen. Dies bedeutet, dass wesentliche Elemente des Kaufvertrags über die Plattform abgeschlossen werden.
  3. Vertragsabschluss auf der Plattform: Der Kaufvertrag muss auf der Plattform zustande kommen, nicht erst ausserhalb durch direkte Kontaktaufnahme zwischen den Parteien.

Beispiel zu SwissMarket

Auf SwissMarket können Nutzer Artikel in den Warenkorb legen, erhalten eine Bestellzusammenfassung mit Preis und Versandkosten und schliessen die Bestellung durch Klick auf «Jetzt kaufen» ab. Die Zahlung wird über die Plattform abgewickelt.

Ergebnis: Alle drei Voraussetzungen sind erfüllt. Die Plattformbesteuerung kommt zur Anwendung.

Wichtige Ausnahmen

Die Plattformbesteuerung gilt nicht, wenn die Betreiberin:

  • Weder unmittelbar noch mittelbar am Bestellvorgang beteiligt ist.
  • Keine Umsätze erzielt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschäft stehen.
  • Lediglich die Zahlungsabwicklung vornimmt.
  • Lediglich Platz für Anzeigen zur Verfügung stellt.
  • Lediglich Werbeleistungen erbringt.
  • Lediglich Käufer auf andere Plattformen weiterleitet.

Folgende Indizien sprechen dafür, dass die Plattformbetreiberin Verkäufer und Käufer zusammenbringt:

  • Die Plattform verfügt über eine Funktion zur Bestellung oder zum Platzieren im Warenkorb.
  • Der Käufer erhält Informationen über Bestellung und Zahlung unmittelbar auf der Plattform.
  • Der Rechnungsstellungsvorgang wird auf der Plattform initiiert.

Wichtig: Werden wesentliche Elemente wie Menge oder Preis nachträglich direkt zwischen Verkäufer und Käufer vereinbart, gilt der Vertragsabschluss nicht als auf der Plattform erfolgt.

Quizfrage 1: Anwendungsbereich der Plattformbesteuerung

Frage: Die Plattform «BauMaterialScout» ermöglicht es Bauunternehmen, Angebote für Baumaterialien zu erhalten. Nach der Wahl eines Angebots nehmen die Parteien direkt Kontakt auf und handeln Preis, Menge und Lieferdatum aus. Die Rechnung geht direkt an den Käufer. Unterliegt diese Plattform der Plattformbesteuerung?

Schritt 2: Was bedeutet die Plattformbesteuerung für Thomas?

Wenn die Plattformbesteuerung zur Anwendung kommt, gilt die Plattformbetreiberin aus mehrwertsteuerrechtlicher Sicht als Leistungserbringerin. Das bedeutet:

Die doppelte Lieferfiktion

Rechtlich wird angenommen, dass zwei Lieferungen stattfinden:

  1. Erste Lieferung: Vom Verkäufer an die Plattformbetreiberin (fiktiv).
  2. Zweite Lieferung: Von der Plattformbetreiberin an den Käufer (fiktiv).

Wichtig: Diese Fiktion gilt nur für die Mehrwertsteuer. Zivilrechtlich bleibt der Kaufvertrag direkt zwischen Verkäufer und Käufer bestehen.

Steuerpflicht und Abrechnung

Wenn Thomas als Plattformbetreiber steuerpflichtig ist (Umsatz über 100’000 Franken aus steuerbaren Leistungen im Inland), muss er:

  • Die Mehrwertsteuer auf den Verkauf an den Käufer deklarieren und abrechnen.
  • Auf Verlangen dem Käufer eine rechtskonforme Rechnung ausstellen.
  • Die entsprechenden Unterlagen führen und für Kontrollen bereithalten.

Beispiel: Verkauf durch nicht steuerpflichtige Person

Auf SwissMarket verkauft Gabrielle, die nicht im MWST-Register eingetragen ist, ihr gebrauchtes Snowboard für 500 Franken. SwissMarket behält 100 Franken (20 Prozent) als Provision ein.

Berechnung für Thomas (SwissMarket):

  • Verkaufspreis auf der Plattform (inkl. MWST): 500 Franken.
  • Geschuldete MWST auf Verkauf: 500 Franken / 108,1 Prozent × 8,1 Prozent = 37,45 Franken.
  • Einbehaltene Provision: 100 Franken.
  • An Gabrielle ausbezahlt: 400 Franken.
  • Fiktive Vorsteuer auf Einkauf: 400 Franken / 108,1 Prozent × 8,1 Prozent = 29,95 Franken.
  • An ESTV zu entrichten: 37,45 Franken minus 29,95 Franken = 7,50 Franken.

Der fiktive Vorsteuerabzug

Eine wichtige Entlastung für Thomas: Wenn der Verkäufer nicht steuerpflichtig ist, kann er eine fiktive Vorsteuer abziehen. Dies gilt für:

  • Individualisierbare bewegliche Gegenstände.
  • Verkäufer mit Sitz im Inland.
  • Verkäufer, die nicht im MWST-Register eingetragen sind.

Die fiktive Vorsteuer wird auf dem an den Verkäufer ausbezahlten Betrag berechnet (nach Abzug der Provision).

Wenn der Verkäufer selbst steuerpflichtig ist, gilt die erste Lieferung (vom Verkäufer an die Plattformbetreiberin) als von der Steuer befreit nach Artikel 23 Absatz 2 Ziffer 13 MWSTG.

Die Plattformbetreiberin schuldet dann die Mehrwertsteuer auf ihrer Lieferung an den Käufer. Der steuerpflichtige Verkäufer muss die steuerbefreite Lieferung dokumentieren, kann aber keine Vorsteuer abziehen.

Vorteil: Für die Plattformbetreiberin vereinfacht sich die Abrechnung, da kein fiktiver Vorsteuerabzug erfolgt, sondern die normale Steuer auf den Verkaufspreis.

Quizfrage 2: Fiktiver Vorsteuerabzug

Frage: Ein privater Verkäufer (nicht im MWST-Register) verkauft über SwissMarket eine Kamera für 800 Franken. Die Plattform behält 120 Franken Provision ein. Wie hoch ist die von SwissMarket an die ESTV zu entrichtende Mehrwertsteuer (bei 8,1 Prozent)?

Schritt 3: Praktische Pflichten für Plattformbetreiberinnen

Thomas muss als Plattformbetreiber verschiedene administrative Pflichten erfüllen:

Anmelde- und Abrechnungspflicht

Wenn SwissMarket steuerpflichtig wird (Umsatz über 100’000 Franken), muss Thomas:

  • Sich bei der ESTV als steuerpflichtige Person anmelden.
  • Vierteljährlich oder nach vereinbarter Methode die MWST abrechnen.
  • Die Steuer fristgerecht an die ESTV entrichten.

Dokumentationspflichten

Für Kontrollen durch die ESTV muss Thomas folgende Informationen dokumentieren können:

  • Art der verkauften Gegenstände.
  • Entgelt (inkl. Währung).
  • Spätere Erhöhungen oder Minderungen des Entgelts.
  • Angewendeter MWST-Satz.
  • Geschuldeter MWST-Betrag in Schweizer Franken.
  • Datum und Betrag erhaltener Zahlungen.
  • Nachweise über Rücksendungen oder Entgeltsminderungen.

Vertrauen auf Verkäuferangaben

Eine wichtige Erleichterung für Thomas: Er darf sich grundsätzlich auf die Informationen verlassen, die ihm die Verkäufer zur Verfügung stellen (z. B. Standort der Waren, Steuerstatus). Wenn er die Steuer aufgrund falscher Angaben des Verkäufers falsch abrechnet, erhebt die ESTV keine Nachbelastungen oder Verzugszinsen gegen ihn, sofern er nicht wissen konnte, dass die Angaben falsch sind.

Hinweis zur Subsidiärhaftung: Der Verkäufer haftet subsidiär für die Steuer, die von der Plattformbetreiberin geschuldet ist. Das bedeutet: Wenn die Plattformbetreiberin die Steuer nicht bezahlt, kann die ESTV sich an den Verkäufer wenden.

Rechnungsstellung

Auf Verlangen des Käufers muss Thomas eine Rechnung ausstellen, die folgende Angaben enthält:

  • Name und Adresse der Plattformbetreiberin.
  • UID-Nummer der Plattformbetreiberin.
  • Datum der Rechnung.
  • Bezeichnung der gelieferten Gegenstände.
  • Entgelt und anwendbarer MWST-Satz.
  • MWST-Betrag.

Quizfrage 3: Vertrauen auf Verkäuferangaben

Frage: Ein Verkäufer gibt Martina (Betreiberin einer Plattform) an, dass sich die Ware in der Schweiz befindet. Tatsächlich wird die Ware aber aus Deutschland versendet. Martina rechnet die MWST wie für eine Inlandlieferung ab. Was sind die Konsequenzen?

Schritt 4: Besondere Situationen

Einfuhr von Gegenständen

Wenn Gegenstände aus dem Ausland importiert und über SwissMarket verkauft werden, muss Thomas besonders aufpassen:

  • Grundsatz: Bei Einfuhr entsteht Einfuhrsteuer.
  • Verlagerungsverfahren: Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Einfuhrsteuer ins MWST-Abrechnungsverfahren verlagert werden.
  • Kleinsendungen: Sendungen mit einem Steuerbetrag unter 5 Franken bleiben von der Einfuhrsteuer befreit.

Export ins Ausland

Wird ein Gegenstand direkt ins Ausland befördert, ist die Lieferung von der Steuer befreit. Thomas darf davon ausgehen, dass seine Lieferung nicht der MWST unterliegt, wenn:

  • Die vom Käufer angegebene Lieferadresse im Ausland liegt, oder.
  • Der Wohnsitz des Käufers im Ausland ist (sofern die Lieferadresse nicht bekannt ist).

Margenbesteuerung für Sammlerstücke

Für Kunstgegenstände, Antiquitäten und ähnliche Sammlerstücke kann Thomas die Margenbesteuerung anwenden. Dabei wird nur die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis besteuert.

Beim Bezug von Urprodukten (z. B. Erzeugnisse der Landwirtschaft, Forstwirtschaft) von nicht steuerpflichtigen Urproduzenten darf Thomas eine fiktive Vorsteuer von 2,6 Prozent des in Rechnung gestellten Betrags abziehen.

Voraussetzungen:

  • Wohn- oder Geschäftssitz und Lokalitäten des Urproduzenten im Inland.
  • Bezug von einem nicht steuerpflichtigen Urproduzenten.
  • Nachweis: Auf der Rechnung ist keine MWST ausgewiesen.

Schritt 5: Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

Lösung für Thomas (SwissMarket)

Situation: SwissMarket unterliegt der Plattformbesteuerung, da alle Voraussetzungen erfüllt sind.

Handlungsschritte:

  1. Steuerpflicht prüfen: Umsatz aus steuerbaren Leistungen kontrollieren (Schwelle: 100’000 Franken).
  2. Anmeldung: Bei Überschreiten der Schwelle bei der ESTV als steuerpflichtige Person anmelden.
  3. System anpassen: IT-System so einrichten, dass alle relevanten Informationen für die MWST-Abrechnung erfasst werden.
  4. Verkäufer informieren: Verkäufer über die neue Regelung informieren und benötigte Angaben (Standort der Ware, Steuerstatus) abfragen.
  5. Abrechnung einrichten: Korrekte Berechnung der MWST, des fiktiven Vorsteuerabzugs und der Netto-Steuerschuld sicherstellen.
  6. Dokumentation: Alle erforderlichen Informationen für Kontrollen systematisch dokumentieren.
  7. Rechnungsstellung: Prozess für rechtskonforme Rechnungen an Käufer etablieren.

Wichtige Punkte für Plattformbetreiberinnen

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:

  • Die Plattformbesteuerung gilt seit 1. Januar 2025 für den Verkauf von Gegenständen über elektronische Plattformen.
  • Die Plattformbetreiberin wird zur Steuerpflichtigen, wenn sie Verkäufer und Käufer auf der Plattform zusammenbringt.
  • Der fiktive Vorsteuerabzug entlastet die Plattform bei Verkäufen durch nicht steuerpflichtige Personen.
  • Plattformbetreiberinnen dürfen sich auf die Angaben der Verkäufer verlassen.
  • Umfassende Dokumentationspflichten müssen erfüllt werden.
  • Bei Export ins Ausland kann eine Steuerbefreiung gelten.

Quizfrage 4: Gesamtverständnis

Frage: Welche Aussage zur Plattformbesteuerung ist korrekt?

Fazit

Die Plattformbesteuerung bringt für Betreiberinnen elektronischer Plattformen erhebliche Änderungen mit sich. Die neue Regelung zielt darauf ab, die Steuererhebung zu vereinfachen und Steuervermeidung zu verhindern. Für Plattformbetreiberinnen wie Thomas bedeutet dies jedoch einen administrativen Mehraufwand.

Entscheidend ist, frühzeitig zu prüfen, ob die eigene Plattform der Plattformbesteuerung unterliegt, die Steuerpflicht zu klären und die notwendigen Systeme und Prozesse einzurichten. Der fiktive Vorsteuerabzug bei Verkäufen durch nicht steuerpflichtige Personen sorgt immerhin für eine gewisse Entlastung.

Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, frühzeitig eine Fachperson für Mehrwertsteuer oder die ESTV direkt zu kontaktieren.

Verwendete Quellen

  • Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV (2025): MWST-Branchen-Info 27 «Elektronische Plattformen», gültig ab 1. Januar 2025.
  • Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG, SR 641.20), insbesondere Artikel 20a MWSTG.
  • Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV, SR 641.201).

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